Die Hohlwelttheorie krempelt mathematisch korrekt unsere kosmische Realität so um, dass die Erdoberfläche zu einer Innenfläche wird, die den gesamten Kosmos umfasst.
Von einer Vergeistigung der Physik (d.h. von perfekter Mathematisierung) versprachen sich Planck, Einstein, Schrödinger usw. den Durchbruch zur Weltformel: Die Welt würde vollständig erklärbar.
1. Welche Grundannahmen liegen diesem Optimismus zugrunde?
2. Welche bewährten Grundsätze mussten dafür aufgegeben werden?
3. Welche außerwissenschaftlichen Interessen forcierten die Vergeistigung (zuweilen auch Vergeistlichung) der neuen Physik?
4. Welche Probleme können entstehen, wenn Physisches durch Abstraktes ersetzt wird und z.B. riesige Galaxien als Punktmassen behandelt werden?
5. Welche Rolle spielte der Papst und der "Papst der Physik" Max Planck bei der Etablierung einer vergeistigten Physik mit dem erklärten Ziel "Hin zu Gott"?
1. Die Physik als Magd der Theologie
Helmholtz leitet seine Vorlesungen über Theoretische Physik 1894 noch mit dem stolzen Satz ein: „Wir wollen Physik treiben, keine Mathematik“, verweist aber auf die Notwendigkeit eines gewissen „Eindringens in die größeren Tiefen der mathematischen Analysis“. Mit dieser Maxime erreichten Naturwissenschaft und Technik im 19. Jahrhundert enorme Erfolge, die auch die Gesellschaft umgestaltete und das Ansehen hergebrachter Institutionen (zumindest vorübergehend) verblassen ließen. Papst Leo XIII. arrangierte sich in gewissen Grenzen mit der Moderne, gründete z.B. die vatikanische Sternwarte, so dass bis zu seinem Tod 1903 eine relativ ungestörte Entwicklung der Naturwissenschaften stattfinden konnte. Das änderte sich abrupt mit dem neuen Papst Pius X., der die Führungsrolle der Theologie in sämtlichen Bereichen der Gesellschaft wieder mit harter Hand und allen Mitteln (auch geheimdienstlichen) durchsetzen wollte. Seine Enzyklika „Pascendi ...“ (1907) lieferte ein klares Programm für die angestrebten Veränderungen:
„... der heiligen Theologie der erste Platz gebührt, ... es liegt an den übrigen Wissenschaften und Künsten, ihr zur Hand zu sein und ihr gleichsam die Dienste einer Magd zu leisten.“
Die Theologie lässt bis heute keinen Zweifel daran, wer die Magd und wer der Herr im Hause zu sein hat.
Pius X. hatte auch klare Vorstellungen, wie dieser Plan praktisch umzusetzen sei:
„... ist es unsere Absicht, mit allen Mitteln ein eigenes Institut zu fördern, an welchen Mitglieder aller Katholiken von wissenschaftlichen Ruf am Fortschritt jeder Art von wissenschaftlichen und gelehrten Studien arbeiten sollen, im Licht der katholischen Wahrheit und unter ihrer Führung. Gebe Gott, dass wir diesen Plan glücklich durchführen können.“
Ein Jahrhundert später kann sich jeder von der erfolgreichen Umsetzung dieses Planes selbst überzeugen. Das „eigene Institut“ heißt Päpstliche Akademie der Wissenschaften, die Mitglieder (auch Nichtkatholiken) werden vom Vatikan ausgesucht und deren Ideen bestimmen die Forschungstrends. Daran ist nichts Anstößiges, nur: Eine naturwissenschaftliche Forschung „im Lichte der katholischen Wahrheit und unter ihrer Führung“ favorisiert und fördert naturgemäß jene Projekte, die das Licht der katholischen Wahrheit besonders hell scheinen lässt – im Grunde läuft es vielfach auf eine Bestätigungsforschung hinaus von längst festgeschriebenen, offenbarten Wahrheiten und ist somit nicht mehr ergebnisoffen. Ganz gleich, mit welcher Mathematik z.B. die Schöpfungsgeschichte nun erzählt wird – an einer wie immer gearteten Schöpfung (Urknall) kommt kein Forscher mehr vorbei. Dabei wird immer wieder Einstein als Kronzeuge angerufen, obwohl dieser ausdrücklich die Urknalltheorie ablehnte (Brief an Lemaître: „Ihre Berechnungen stimmen, aber Ihre Physik ist scheußlich“). G. Tipler hat diesen Trend ins Absurde gesteigert und eine Physik der Unsterblichkeit und eine Physik des Christentums vorgelegt, ohne dabei mehr auf nennenswerte Widerstände zu stoßen. Im Gegenteil – Tipler bedankt sich noch ausdrücklich bei vielen namhaften Physikern und Kosmologen für die Unterstützung. Selbst Martin Rees ist darunter – der Astronomer Royal mit den vielen Präsidentschaften, Redaktionsmitgliedschaften und damit einer der einflussreichsten „Naturwissenschaftler“ unserer Zeit auf einem Posten, den einmal Isaac Newton innehatte. „Zeitreisen sind möglich“ behauptet Rees und: „Wir Menschen könnten Simulationen außerirdischer Zivilisationen sein“. Und (fast) alle nicken. (Helmholtz hielt den Begründer der Astrophysik Zöllner nur noch für verrückt, als dieser die vierte räumliche Dimension für physikalisch real hielt und nach Signalen aus dieser Dimension suchte. Als Zöllner Fußspuren von Geistern als Beweis vorlegte, war seine Karriere zu Ende. Heute würde man wohl eher Helmholtz in die Wüste schicken.)
Helmholtz hat die Mathematisierung der Physik vorangetrieben, aber vor Missbrauch gewarnt: "Wir wollen Physik treiben, nicht Mathematik"
Der schleichende Umwandlungsprozess der Physik von einer Natur- in eine Geisteswissenschaft scheint einherzugehen mit der Aufweichung sämtlicher Grundvoraussetzungen: Kausalität, Energieerhaltung usw. werden solange dem Lichte der katholischen Wahrheit ausgesetzt, bis herbeigerechnete Erkenntnisse wie „Alles kann aus Nichts entstehen“ (Fritzsch) auch Physiker akzeptieren und massenhaft propagieren.
Der Respekt vor den wissenschaftlichen Leistungen von Forschern wie Planck, Einstein, Bohr, Heisenberg und anderen sollte nicht so weit gehen, deren Rolle als Mitglieder der Päpstlichen Akademie als irrelevant abzutun und ununtersucht zu lassen. Die Auswahl erfolgte (damals wie heute) ja nicht vordergründig nach deren Konfessionen, sondern eher nach dem Potenzial ihrer Lehren hinsichtlich der Stärkung klerikaler Interessen. Ein außerordentlich starkes klerikales Interesse besteht ja erklärtermaßen darin, die Attraktivität der Naturwissenschaft für klerikale Zwecke zu nutzen und den Glauben mit dem Wissen zu verbinden. Zwei Wege dahin sind denkbar: Entweder man lässt die Autonomie der Wissenschaft unangetastet und etabliert eine sich dynamisch entwickelnde Religion, die auf Augenhöhe einen anspruchsvollen Diskurs (z.B. über Sinnfragen) zu beider Nutzen anstrebt, oder man bleibt der scholastischen Tradition verhaftet und versucht kraft realer Machtposition alles Fremde seiner Eigenständigkeit zu berauben und den eigenen Grundsätzen zu unterwerfen bzw. anzupassen. Der erste Weg ist unendlich schwierig und nur mit großem Aufwand realisierbar, verspricht aber große Nachhaltigkeit hinsichtlich eines umfassenden Fortschritts. Der zweite Weg entspricht quasi dem Dienstweg: Alles soll beim Alten bleiben, jegliche Verordnungen zielen auf die Schwächung bzw. Ausmerzung des Fremden, und eine Entwicklung der eigenen Struktur (und damit auch der domestizierten Strukturen wie z.B. der Wissenschaften) ist dabei nicht vorgesehen. Derartig auf Verkrustung angelegte Strukturen mögen vorübergehend flexiblere Strukturen verdrängen, doch auf längere Zeiträume können sie aller Erfahrung nach nicht bestehen.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts beschritt Pius X. mit seiner Neuscholastik offensichtlich den zweiten Weg, und seither werden die handverlesenen Spitzenwissenschaftler der Päpstlichen Akademie regelmäßig auf ihre wahre Mission eingeschworen, z.B.: „... von jenem am Uranfang stehenden Fiat lux, als die Materie ins Dasein trat ... Die Erschaffung also in der Zeit; und deshalb ein Schöpfer; und folglich ein Gott. Das ist die Kunde, die Wir ... von der Wissenschaft verlangten und welche die heutige Menschheit von ihr erwartet.“ (Pius XII. 1951 vor den Mitgliedern der Akademie). Wer sich wundert, warum ein eher unbedeutender Forscher wie Stephen Hawkins zum meistgelesenen Sachbuchautor aller Zeiten avancierte, zum Supergenie hochstilisiert wurde und mit allen möglichen Preisen überhäuft wurde (u.a. mit der Pius XI.-Medaille für seine Beiträge zur Urknall-Theorie), der vergleiche einfach den vatikanischen Forderungskatalog an die Wissenschaften mit den von Hawkins gelieferten Ergebnissen – und stelle absolute Übereinstimmung fest. Fred Hoyle passte da so gar nicht ins Konzept – und wurde prompt in die Wüste geschickt und durch einen absolut zuverlässigen Mann ersetzt: Martin Rees.
2. Der Papst und der "Papst der Physik" Max Planck
Eine Schlüsselrolle zum Verständnis der Entwicklungen in der Physik des 20. Jahrhunderts spielte Max Planck und der von ihm protegierte Kreis. Plancks moralische und wissenschaftliche Integrität stehen außer allem Zweifel und machten ihn deshalb zum „Papst der Physik“. An ihm führte (und führt auch heute noch) kein Weg vorbei. Damit aber blieben auch Fragen ausgeblendet, die zum Beispiel seine buchstäbliche päpstliche Machtfülle bzw. deren Gebrauch (möglicherweise auch Missbrauch) betreffen. Planck hat ihm wichtig erscheinende Projekte und Personen stark gefördert, ebenso, wie er andere absolut ignoriert und abgeblockt hat (Die Erstveröffentlichung einer relativistischen Gravitationstheorie stammt von Hilbert, nicht von Einstein, doch das ist nur einem kleinen Kreis bekannt. Planck protegierte Einstein, und so ging dieser in die Geschichte als Schöpfer der ART ein).
Der konservative Planck sah Wissenschaft und Religion auf parallelen Wegen, die zum selben Ziele führen: „Hin zu Gott!“. Damit musste er sich als geeignete Persönlichkeit empfehlen, bei der Unterordnung der Wissenschaft unter die Theologie an hervorgehobener Stelle mitzuwirken – ganz im Sinne Pius X.
Die Herrschaft des Geistes über das Physische zu etablieren lief schon immer auf Bemühungen hinaus, das Physische weitgehend zu vergeistigen, um es rhetorischer Manipulation zugänglich zu machen. Die Veröffentlichung von Einsteins Relativitätstheorie 1905 war nur durch Plancks Engagement möglich und wird bis heute als große Revolution der Physik gefeiert. Die Vielzahl kritischer Stimmen wurde damals wie heute absolut ignoriert, so dass es nicht einmal zu einem (sonst üblichen) wissenschaftlichen Disput über diese revolutionäre Theorie kam: Sie wurde verkündet und mit Hilfe des Max Planck zur Verfügung stehenden Machtapparats zu geltender Physik erklärt. Plancks Assistent Max von Laue erhielt den Auftrag, sofort ein Lehrbuch zur SRT zu verfassen und erinnert sich:
„Ich schrieb [Die Relativitätstheorie] in einem kleinen Bootshaus, das am Ufer und auf Pfählen im Wasser des Starnberger Sees stand und einen herrlichen Blick auf die Berge des Karvendels gewährte. So gut habe ich es nie wieder getroffen.“ Luxusbedingungen zum Schreiben eines Auftragswerkes zu einer Theorie, von der Laue keineswegs überzeugt war: „...und die Skrupel, welche andere später laut geäußert haben, sind mir keineswegs erspart geblieben.“
Planck setzte alle Mittel ein, den unsicheren Kandidaten bei der Stange zu halten. Bei der Berufung Laues in die Berliner Akademie der Wissenschaften 1921 legte Planck davon Zeugnis ab: „... dass Sie den Zauber der Relativitätstheorie Einsteins auf sich wirken ließen... es auch heute noch nicht gelingen will, mich ganz dem beruhigendem Gefühle des sicheren Besitzes hinzugeben, da doch die Befürchtung nicht ausgeschlossen scheint, es möchte Ihr beweglicher Geist sich über kurz oder lang doch noch einmal von fremden Klängen anziehen und fortlocken lassen. ... heute die zuverlässige Hoffnung aussprechen, dass ein gütiges Geschick und die Fürsorge unserer Unterrichtsverwaltung uns vor einem solchen Verlust bewahren möge.“ Die Fürsorge einer Unterrichtsverwaltung hat es dann auch an nichts fehlen lassen, Laues beweglichen Geist in die richtigen (d.h. von Planck gewünschten) Bahnen zu lenken.
Planck war auch der Doktorvater von Moritz Schlick, der sich aber bald der Philosophie zuwandte und mit seinen „impliziten Definitionen“ eine ganz wesentliche Änderung des Axiombegriffs einführte: „Diese Axiome sind freie Schöpfungen des menschlichen Geistes - losgelöst von jedem Anschauungs- und Erlebnisinhalt“ schreibt Einstein. Er übernimmt damit die aktuelle Position der Mathematik (Hilbert), die verlässliche Theorien rein axiomatisch herzuleiten versucht. Das bedeutet aber den Abschied vom Euklid´schen Axiomensystem, das eben nicht willkürlich gewählt war, sondern eine Abstraktion aus der jahrtausendelangen praktischen Erfahrung des Menschen darstellte. Dies wird als Revolution gefeiert. Statt nach einer Abstraktion auf höherem Niveau zu suchen (über Euklid hinausgehend, aber nicht die Ausgangsbasis physischer Erfahrung ignorierend), sieht man das Ziel gerade in der Kappung jeglicher Verbindungen zu diesen Wurzeln. Jetzt glaubt man sich aller lästigen Fesseln entbunden, und der freie schöpferische Geist ergießt sich seither „losgelöst von jedem Anschauungs- und Erlebnisinhalt“ in Form abstrusester Theorien über uns. Hierbei ist nicht der ungestüme Forscherdrang Einsteins das Problem, der einen grundsätzlich neuen Denkansatz für die Physik ausprobierte, das Problem liegt vielmehr in der durch außerwissenschaftliche Interessen forcierten sofortigen Etablierung einer der Physik wesensfremden Struktur, ohne mögliche Risiken und Nebenwirkungen mit kühlem Kopf auch nur in Erwägung zu ziehen.
Damit vollzieht Einstein mit nachdrücklicher Unterstützung Plancks endgültig den Übergang von einer Physik im Wortsinne (Beschreibung von Phänomenen in der Welt des Körperlichen auf der Basis tatsächlich beobachteter Phänomene) hin zu einer Physik der rein geistigen Strukturen – „gelöst von jedem Anschauungs- und Erlebnisinhalt“ und somit auch gelöst von jeder experimentellen Überprüfbarkeit. Obwohl Gödel später die Verheißungen der axiomatischen Methode ad absurdum führte, hält man bis heute ziemlich unbeirrt daran fest. Noch immer sucht man nach der Weltformel, die sich doch innerhalb eines Axiomensystems ableiten lassen muss, obwohl als sicher gilt: In jedem Axiomensystem gibt es mindestens ein unlösbares Problem, das nur durch Ausweichen in ein übergeordnetes System lösbar wird usf., also prinzipiell auf einen unendlichen Erkenntnisprozess verweist.
Darin liegt die eigentliche Revolution: Im Jahre 1905 wurde Physik weitgehend durch Mathematik ersetzt und damit eine Naturwissenschaft zugunsten einer Geisteswissenschaft faktisch abgeschafft. Inzwischen ist die Mathematik längst über ihre Positionen vom Beginn des 20. Jh. hinaus (siehe Gödel), nur die mathematische Physik feiert immer noch die Axiomatik als Königsweg zur allumfassenden Erkenntnis (wobei die Wortschöpfung „mathematische Physik“ irgendwie an „schwarze Schimmel“ erinnert.)
Mit der konsequenten Mathematisierung der Physik begann das Zeitalter einer zügellosen Kreativität, die sich nicht mehr um Realität, Gültigkeitsbedingungen usw. zu kümmern brauchte, sondern lediglich mathematische Konsistenz forderte. Sexl zeigte, dass selbst scheinbare Absurditäten wie die Hohlwelttheorie mathematisch korrekt und also unwiderleglich sind, sodass einer Aufnahme dieses Krempel-Weltbildes in unsere Lehrbücher nichts im Wege stünde. Es wurde übrigens mal u.a. von einem Herrn Braun kreiert, um den Schöpfer von der Peripherie unseres Universums in den Mittelpunkt dieser hohlen Welt zu setzen – mathematische Transformationen machen es möglich (Inversion am Kreis bzw. an einer Kugel).
Die unbekümmerte Herangehensweise Einsteins an die Probleme der Physik und seine unkonventionellen Lösungsvorschläge brachten Bewegung in die Diskussion, aber leider wurde eben diese Diskussion sofort im Keime erstickt, indem die Vorschläge (SRT, ART) augenblicklich zum Dogma erstarrten. Offensichtlich hatte man sofort das Potenzial erkannt, das sich hier für die „Vergeistigung des Physischen“ anbot. Dabei geht es heute nicht mehr um ein „Für“ oder „Gegen“, sondern um das Zulassen einer längst überfälligen Diskussion, die (möglichst abgeschirmt vom Lichte der katholischen Wahrheit) die Grenzen der mathematischen Physik zu bestimmen sucht und sich möglicherweise auf existenzielle Wurzeln besinnt, derer man sich so euphorisch entledigt hatte.
Physiker wohnen in Steinhäusern, wo jeder Ziegel verschiedene Größe, Farbe oder Härte haben kann. Theoretiker wohnen in Luftschlössern, wo die Ziegel durch ausdehnungslose Punkte ersetzt sind.
3. Physik ohne Physisches
Im Kern geht es um die Frage, wie viel Abstraktion ein körperliches Phänomen verträgt, ohne dass es dabei seine wesentlichen physikalischen Eigenschaften einbüßt.
Mathematische Physiker bedienen sich gern des bequemen Punktmassenmodells, ohne lange zu fragen, inwieweit damit noch physikalische Fragestellungen sinnvoll lösbar sind. Im Ergebnis verschwindet selbst unser gesamtes Universum in einem solch ausdehnungslosen Punkt (Singularität), und es ist jetzt nur noch eine Frage geeigneter Gleichungen, wie diese gigantische ausdehnungslose Punktmasse zu heute beobachtbarer Größe (inklusive mannigfacher Eigenschaften) mutieren konnte.
Das absolute Vertrauen in eine solch mathematische Physik gründet auf einer Voraussetzung, die längst nicht mehr hinterfragt wird, obwohl sie eben nicht in jedem Fall zutrifft. Helmholtz beschreibt ausführlich, unter welchen Umständen wir derartige Abstraktionen nur durchführen dürfen, um letztlich zum ersehnten Ziel zu gelangen: „...das Gesetz die Form einer Differenzialgleichung erhält.“
Das Punktmassenmodell kann problemlos auf zwei Massen angewandt werden, die sich in einem solchen Abstand zueinander befinden, dass deren Durchmesser dagegen vernachlässigbar klein ist. Die Wirkung weiterer Massen muss ausgeschlossen sein, das heißt diese müssen weit genug entfernt sein.
Sobald wir es aber mit einer Ansammlung von vielen Massen bzw. einer sehr ausgedehnten Masse zu tun haben, stoßen wir auf ein Problem:
„Sondern, wenn wir es versuchen wollten, die Gesamtwirkungen in die Wirkungen von Punkten aufeinander zu zerlegen, so würden wir mit unmittelbar benachbarten Punkten zu rechnen haben, die also beliebig kleine Entfernung von einander besitzen, und dafür fehlt uns bisher meistenteils noch die Kenntnis der Gesetze, nach welchen solche nahe aneinander liegenden Punkte aufeinander wirken. Wenn wir auf getrennte materielle Punkte zurückgehen können, so ist unsere Betrachtungsweise einfacher ... In dem Umstande, dass wir die Wirkungen ausgedehnter Körper auf Wirkungen von Massenteilen zurückführen können, die sehr klein sind oder die so weit von einander entfernt sind, dass man ihre Durchmesser gegen ihre Entfernungen vernachlässigen kann, liegt der Grund, warum die theoretische Physik überwiegend mathematisch wird....“
Halten wir fest: Die Aussagen der theoretischen Physik gelten ausdrücklich nur im Rahmen dieser sehr speziellen Voraussetzungen.
Wer also z.B. die Wirkung sämtlicher weit verstreuten Massen der Milchstraße auf unser am Rande gelegenes Sonnensystem berechnen will, muss bedenken:
Die Summe der Einzelwirkungen auf unser Sonnensystem liefert nur dann einen richtigen Wert, wenn jegliche Wirkungen zwischen all den anderen Massen innerhalb der Galaxis vernachlässigbar klein sind. Die Abstraktion, die gesamte Galaxie kann als Punktmasse aufgefasst werden, die im Abstand des Galaxienradius auf unser Sonnensystem wirkt, führt nur zu einer richtig berechneten Wirkung, wenn der Durchmesser der Galaxie klein ist bezüglich des Punktmassenabstandes(!) zwischen Galaxienzentrum und Sonnensystem.
Entstehung galaktischer Strukturen in einer rotierenden Flüssigkeit: Hilft hier das Punktmassenmodell weiter?
Offensichtlich stimmen beide Voraussetzungen nicht im entferntesten mit der physikalischen Realität überein, und dennoch wird dieser Mangel konsequent ignoriert. Natürlich wird bei Zugrundelegung des Punktmassenmodells Keplerrotation und damit eine ganz bestimmte Bahngeschwindigkeit des Sonnensystems um das Milchstraßenzentrum erwartet. Da nun Rechnung und Messung nicht übereinstimmen (nicht übereinstimmen können wegen unzutreffender Voraussetzungen), dichtet man der Natur zusätzliche Massen bzw. Energien an, um die für dieses Problem unzutreffende Mathematik zu retten: Man findet nichts mehr dabei, irgendwelche Parameter einzuführen und die Natur so lange zu manipulieren, bis sie in die Rechnungen passt. Obwohl uns „bisher meistenteils die Kenntnis der Gesetze“ für die Lösung bestimmter Probleme fehlt, wird diese Unkenntnis dadurch kaschiert, dass man eine phantastische Pseudonatur kreiert, nur weil diese sich wenigstens mit unserer bescheidenen Gesetzeskenntnis berechnen lässt.
Als mildernden Umstand kann man auf die „bewiesene“ Annahme verweisen, dass doch jede noch so große homogene Kugelmasse ihren Schwerpunkt immer im geometrischen Zentrum hat, so dass der Abstand zweier Kugelmassen exakt der Abstand ihrer Mittelpunkte ist und damit das Punktmassenmodell Verwendung finden darf. Auch Helmholtz geht von dieser Vorstellung aus: „… die Wirkungen ausgedehnter Körper auf Wirkungen von Massenteilen zurückführen können, die sehr klein sind …“ Das Vertrauen in die Richtigkeit dieser Praxis ist so groß, dass selbst die Bestimmung der Gravitationskonstanten mit Hilfe von Drehwaagen darauf gründet. Ist dieses Vertrauen aber ausreichend begründet? Bislang wundert man sich zwar bei jeder neuen Messung mit immer größeren Massen, dass statt einer Verfeinerung der Ergebnisse eher eine Verschlechterung zu registrieren ist und weltweit gemachte Experimente nicht in einem einzigen Fall einigermaßen übereinstimmen. Bei Drehwaagen wird üblicherweise die Kraftwirkung zwischen zwei großen schweren Kugelmassen in geringem Abstand voneinander gemessen und daraus die Gravitationskonstante berechnet. Als „Punktmassenabstand“ geht der Schwerpunktabstand zwischen beiden Kugeln in die Rechnung ein. Welches Risiko könnte ein solches Vorgehen bergen? Die großen Kugeln in geringem Abstand erfüllen nicht die Voraussetzung, dass das Verhältnis von Durchmesser zu Abstand vernachlässigbar klein ist. Die Reduzierung auf zwei Punktmassen unterschlägt z.B. all jene realen Kraftwirkungen zwischen Teilmassen der Kugeln, die nicht auf der „Abstandslinie“ liegen und wegen Winkelabweichung auch in unterschiedlichem Maße zur Gesamtkraft beitragen.
Die vorausgesetzte Identität von Schwerpunkt und Gravitationsangriffspunkt ist zu hinterfragen: Der Schwerpunkt eines Körpers wird üblicherweise im homogenen Gravitationsfeld einer großen Masse (Erdmasse) als jener Punkt bestimmt, dessen Unterstützung zur Momentenfreiheit führt. Fällt das äußere Gravitationsfeld weg, wird es hier sinnlos, von einem Schwerpunkt zu sprechen. Welche Auswirkungen auf die Lage des Schwerpunktes hat ein inhomogenes Gravitationsfeld? Betrachten wir ein im Gleichgewicht befindliches Hebelsystem, so kommt dieses bei Annäherung einer weiteren Masse infolge gravitativer Wechselwirkung unter bestimmten Umständen aus dem Gleichgewicht, kann aber durch Verrücken des Unterstützungspunktes wieder ins Gleichgewicht zurückkehren. Im inhomogenen Feld kann das System also einen anderen Schwerpunkt als unter „Normbedingungen“ im homogenen Feld haben: Die Lage der Massen bleibt unverändert, nur der Schwerpunkt verschiebt sich. Dieser Fall ist aber auch z.B. bei zwei dicht beieinander befindlichen Kugelmassen gegeben wie sie in Drehwaagen Verwendung finden: Das radiale Feld der einen Kugel wird im Innern der anderen Kugel mit zunehmendem Abstand signifikant schwächer (deutliche Abstandsvergrößerung der Feldlinien vom Eintritt bis zum Austritt), d.h. beide Kugeln werden von inhomogenen Feldern durchsetzt (das homogene Erdfeld ist hier irrelevant). Das sollte zu einer Verschiebung der Schwerpunkte und damit zu einer Veränderung des tatsächlichen Schwerpunktabstandes zwischen beiden Kugeln führen: Der „Punktmassenabstand“ ist nicht mehr identisch mit dem „Schwerpunktabstand“ zweier ausgedehnter Massen in geringer Entfernung. Die mit dem (unkorrekten) Punktmassenabstand berechnete Gravitationskonstante muss dann auch so viele unterschiedliche Ergebnisse liefern, wie verschieden ausgedehnte, verschieden schwere und verschieden entfernte Kugeln von den Experimentatoren verwendet wurden.
Ist obige Überlegung richtig, so finden auch andere Effekte eine zwanglose physikalische Erklärung.
Die Beschreibung der Planetenbewegung um die Sonne mit dem Punktmassenmodell liefert für weit entfernte Planeten erwartungsgemäß die genauesten Resultate, bei Merkur hingegen als dem der Sonne am nächsten gelegenen Planet weichen Rechnung und Beobachtung messbar voneinander ab. Die mathematische Physik hat mit der ART eine Struktur geschaffen, die dieses Phänomen hinreichend genau mit Gleichungen beschreiben kann, doch mathematische Konstrukte wie „Raumkrümmung“ mögen der Rechnung dienlich sein – für ein Verständnis der zugrunde liegenden physikalischen Zusammenhänge tragen sie kaum bei. Da aber Helmholtz die Physiker mahnt: „Wir wollen Physik treiben, keine Mathematik“, fragen wir nach physikalischen Zusammenhängen zur Erklärung ungeklärter Phänomene.
Merkur befindet sich mit 58 Mill. km Abstand zur 1,4 Mill. km ausgedehnten Sonne in solcher Entfernung, dass das Verhältnis Sonnendurchmesser zu „Punktmassenentfernung“ mit 0,024 nicht mehr vernachlässigbar klein ist. Die Berechnung mit dem Punktmassenmodell muss zu Abweichungen von den Messungen führen, so dass die Raumkrümmung eingeführt wurde, um derartige Abweichungen zu korrigieren.
Das bedeutet: Die auf falschen Voraussetzungen beruhende und deshalb zu falschen Ergebnissen führende Rechnung wird durch falsche Zuweisung von Eigenschaften an die Natur (Raumkrümmung als Wirkung auf Massen) wieder korrigiert, so dass aus der doppelten Falschheit letztlich doch brauchbar Richtiges wird – unter Preisgabe der Authentizität von Physik.
Eine physikalische Erklärung der gemessenen Abweichung von der Rechnung beim Merkurumlauf sollte dann auch dort gesucht werden, wo allein sie begründet zu sein scheint – im unberechtigt verwendeten Punktmassenmodell.
Quo vadis, SCIENC EXPRESS?
4. Die Planck-Doktrin
Max Planck war unbestritten der erfolgreichste Wissenschaftsorganisator des 20. Jahrhunderts. Er war ab 1905 Vorsitzender der Deutschen Physikalischen Gesellschaft, 1913 wurde Planck Rektor der Universität in Berlin, 1915 Ritter des Ordens Pour le mérite für Wissenschaften und Künste, 1921 Vorsitzender der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte und 1920 Mitgründer der „Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft“ (heute Deutsche Forschungsgemeinschaft) zur Förderung und Wiederaufbau der Forschung. Mit 72 Jahren übernahm er 1930 mit der Präsidentschaft der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften ein weiteres verantwortungsvolles Amt. Nach der Gründung der Max-Planck-Gesellschaft in der britischen Zone wurde er ihr Ehrenpräsident.
Mit der Ernennung Einsteins zum Direktor des neugegründeten Kaiser-Wilhelm-Instituts für Physik 1917 und Max Laues zu dessen Stellvertreter lagen weitere wichtige Ämter in den Händen von Planck-Freunden, so dass man durchaus sagen kann:
Die Physik des 20. Jahrhunderts war weitgehend geprägt von Plancks Überzeugungen. Welche waren das?
Plancks “Philosophie” beruht auf einem relativ einfachen, dafür aber sehr suggestiven Schema, das deshalb unabhängig von seiner Person große Verbreitung fand: Er geht aus von der jedem Menschen zugänglichen Sinnenwelt, von der auch die Wissenschaft ausgehen muss, die sich jedoch mittels immer weiter differenzierter mathematischer Modelle einer (letztlich unerkennbaren) metaphysisch realen Welt annähert, die er auch mit Gott identifizierte. Dieses sich Annähern führt von einer anthropomorph begriffenen, sich stets wandelnden, Sinnenwelt zur vom Menschlichen abgelösten Welt des Seins, des Ewigen. Deshalb kann Max Planck den Fortschritt in der Physik auch als Prozess der “Desanthropomorphisierung” beschreiben. Ein solches Denkschema haben viele Physiker akzeptiert. Nicht nur Plancks Freund Einstein, auch Heisenberg, von Weizsäcker, bis hin zu Hawking oder Weinberg glauben an ein solches Schema, das im Grunde Platonisches Gedankengut repräsentiert. (Mutschler)
(Zwischenruf aus der letzten Reihe: Dass so viele Forscher dieses Denkschema akzeptieren, könnte auch das Ergebnis eines sanft gesteuerten Ausleseprozesses gewesen sein - die Liste der durchs Raster gefallenen "Andersdenkenden" ist lang.) Diese Philosophie weist dem Physiker die Rolle des fleißigen Handwerkers zu, der aber mit seinen Hand-Werken (Experimenten) prinzipiell niemals auch nur in die Nähe der „vom Menschlichen abgelösten Welt des Seins“ gelangen kann – bestenfalls kann er diese unerkennbare Idealwelt in beliebige mathematische, rein geistige Strukturen fassen. Damit aber muss er den Übergang vom Hand-Werker zum Geistes-Arbeiter vollziehen. Jetzt hat die Theorie Priorität vor den Beobachtungen, obwohl über die „vom Menschlichen abgelöste Welt des Seins“ keinerlei Informationen vorliegen und lediglich spekulative Aussagen möglich sind.
Auf wunderbare Weise stimmte jetzt die Philosophie des Klerus (bzw. verantwortlicher Kleriker) mit der Philosophie der Physik (bzw. ausgewählter Physiker) überein, und so ist es nur konsequent, wenn die Päpstliche Akademie der Wissenschaften ihre Forschungen „im Lichte der katholischen Wahrheit und unter ihrer Führung“ jetzt jenen Wissenschaftlern anvertraut, die sich ja auch ein „Hin zu Gott!“ auf die Fahne geschrieben haben. Der Plan Pius X. vom Anfang des Jahrhunderts war erfolgreich in die Tat umgesetzt worden, und zwar in aller Stille – so still, dass noch heute nur sehr spärliche Informationen über die beteiligten Personen und deren konkrete Rolle bei der Umsetzung des Planes öffentlich zugänglich sind.
Sànchez Sorondo, der heutige Präsident der Päpstlichen Akademie, wurde gefragt, was die Höhepunkte der Akademie seit ihrer Neugründung durch Pius XI. im Jahr 1936 waren, und seine Antwort lässt aufhorchen:
"Ihre fruchtbarste Zeit war meiner Meinung nach die Zeit, in der sie von Max Planck, dem Vater der Quantentheorie, geleitet wurde." (30 Tage in Kirche und Welt, März 2009)
Wenngleich Planck nicht Präsident der Akademie war, muss seine Stellung derart exponiert gewesen sein, dass sein Wirken zumindest einer geistigen Leitung gleichkam. Plancks "Hin zu Gott!" musste ihn zum idealen Protagonisten einer klerikalen Institution machen, die in den Wissenschaften eben nur eine Magd für die Theologie sah. Es überrascht nicht, wenn die Auswahl der Akademiemitglieder dann auch weitgehend unter diesem Gesichtspunkt erfolgte, sodass die erwünschte Magd-Rolle in Demut verinnerlicht und nach außen verteidigt wird.
Mit der geistigen Leitung der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften durch Planck erreicht die Neuorientierung der Physik ihren vorläufigen Höhepunkt. Gegen den Widerstand Einsteins, Eddingtons und anderer Koryphäen kann z.B. die Urknall-Doktrin des Jesuitenpaters Lemaître dauerhaft installiert werden – ein herausragender logistisch-propagandistischer Erfolg der großen Koalition aus Physik, Kosmologie und Theologie, der zu Kompromissen zwingt:
Die Physik muss nun Kausalität, Energieerhaltung und immer weitere Grundlagen infrage stellen, damit eine Schöpfung aus dem Nichts irgendwie plausibel gemacht werden kann. (Planck verteidigte diese Grundsätze zwar als Physiker, gab sie aber als Philosoph faktisch wieder preis). Auch die Biologie geht in dieser Zeit neue, nicht sehr ruhmreiche Wege, die auch Planck ein bisschen ebnen hilft. Als Präsident der KWG seit 1930 verspricht er in einem Brief an den neuen Reichsinnenminister Frick, dass die KWG gewillt sei, „sich systematisch in den Dienst des Reiches hinsichtlich der rassenhygienischen Forschung zu stellen.“ Spätestens hier stellt sich die Frage, inwieweit die vom Musterwissenschaftler Planck propagierte, weltweit zum Standard erhobene Musterphilosophie – „hin zu einer vom Menschlichen abgelösten Welt des Seins“, hin zum Idealen, Mathematischen, hin zu Gott! – nicht auch ungewollt ganz andere Geister inspiriert hat: Auf dem Wege hin zum Vollkommenen darf – ja muss! – das Unvollkommene getrost geopfert werden – reinsten Gewissens. Galilei war einst das prominenteste Opfer solcher Philosophie, Hoyle und Arp sind Beispiele aus der jüngeren Wissenschaftsgeschichte.
Monarchen, Päpste – zentralistische Strukturen aller Art – verkünden den Aufbruch zu einem idealen, fernen Ziel und strafen all jene zumindest mit Verachtung, die sich ihrem Willen widersetzen. Es gilt nur noch schwarz oder weiß oder gar nicht und eine Diskussion mit „Ungläubigen“ ist nicht vorgesehen. Unter diesem Gesichtspunkt tritt der Führungsanspruch der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften in Widerspruch zur behaupteten Unabhängigkeit ihrer Mitglieder.
Mit der Vergeistigung der Natur hat der Blick des Physikers etwas unnatürlich Maskenhaftes bekommen
Auch die Physik im 20. Jahrhundert war unter dem "Papst der Physik" Max Planck, der als geistiger Führer der Päpstlichen Akademie gleichzeitig dem Papst in Rom unterstellt war, auf ein solches ideales Ziel hin ausgerichtet – bei Ignorierung sämtlich anderer möglicher Ziele. Heute scheint eine solche Struktur ausgereizt und kaum zukunftsfähig. So etwas wie eine Demokratisierung der Physik steht auf der Tagesordnung, die frische Ideen und Herangehensweisen zulässt und unbekümmert die Heiligtümer des vergangenen Jahrhunderts auf Mängel, falsche Voraussetzungen usw. durchforstet und unterdrückte Ideen („Wie konstant sind Naturkonstanten?“) auf ihre mögliche Brauchbarkeit testet. Natürlich werden wir die alten Päpste und Fürsten in Ehren halten, aber jeder Generation ist aufgegeben, über die Altvorderen hinauszugehen – aus existenziellen Gründen: „Kläglich ist der Schüler, der seinen Meister nicht übertrifft“. (Leonardo da Vinci)
Äußerlich gibt es kaum Anzeichen für eine Liberalisierung der Physik, und alle Physiker bzw. Astronomen in führenden Positionen antworten auf Anfrage unisono etwa so wie ein ehemaliger Präsident der DPG:
1. „Ich kann derzeit nichts sehen, was dieses Bild [der Kosmologie] in der aktuellen best möglichen gedachten und formulierten Physik in Frage stellen würde.
2. Ich selbst kann mich nicht mit einer irgendwie gearteten christlichen Physik identifizieren, weil diese Dinge nichts miteinander zu tun haben.
3. Die Physik ist Gottes und nicht des Menschen Wille – oder könnten Sie sich eine Physik gegen Gottes Wille vorstellen? Die Welt Gottes ist nicht so simpel, wie wir das gern hätten. Aber es ist uns aufgegeben uns in Bescheidenheit zu kümmern, und das ist das, was wir in der Wissenschaft tun.“
Hier offenbart sich in entwaffnender Offenheit die bis heute verinnerlichte Planck-Doktrin, die im Klartext etwa so formuliert werden kann:
1. Die mathematische Physik ist die best möglich gedachte und formulierte Physik zur Beschreibung der Welt.
2. Die Unterstellung einer Vermischung von Physik und Spiritualität weisen wir weit von uns, und wir vermeiden alles, was diesen Eindruck bestärken könnte.
3. Gegenstand der Physik ist die vollkommene Welt nach Gottes Willen, die uns in ihrer unendlichen geistigen Größe prinzipiell verschlossen bleibt und der wir uns nur in Bescheidenheit ein bisschen nähern können.
Diese scheinbar unerschütterlichen Positionen können kraft realer Machtverhältnisse sicher noch recht lange aufrecht erhalten werden, aber ihre inneren Widersprüche drängen bereits heute schon so unübersehbar hervor, dass extreme Protagonisten wie Tipler mit ihrer „Christlichen Physik“ einfach nur noch als Realsatire empfunden und nicht mehr ernst genommen werden.
John L. Heilbron hat aus der kühlen Distanz eines Amerikaners alle Facetten des Planck’schen Wirkens akribisch untersucht und kommt zu dem Ergebnis:
„Seine Weltanschauung hat Planck in die Irre geführt.“ (John L. Heilbron: Max Planck, Hirzel 2006)
Da Plancks Weltanschauung aber bis heute die Naturwissenschaften dominiert, müssten auch diese eine Irreführung einräumen und sich zumindest mit einer solchen Möglichkeit kritisch auseinandersetzen.
Die Ablösung der Planck-Doktrin in den Naturwissenschaften wird nicht von außen herbeigeführt werden, sie wird sich selbst organisieren, weil
a) die Demütigung des Intellektes irgendwann ihre Schmerzgrenze erreicht haben wird („das Universum könnte sich in einer Zeitschleife selbst erschaffen haben“ – Gott III),
b) die Ursachenforschung für die zunehmende Erfolglosigkeit der Physik auf Dauer nicht das zugrunde liegende Dogma unberücksichtigt lassen kann,
c) die Leugnung eines Einflusses klerikaler Interessen auf Forschungstrends aufgrund zunehmend verfeinerter Internetrecherche immer unglaubwürdiger wird. (Wenn z.B. im Jahr der Physik 2000 ein richtungsweisendes Kolloquium zu richtungsweisenden Fragen der Kosmologie von richtungsweisenden Experten wie Rees, Linde, Hawkins usw. ausgerechnet von der für spirituelle Optimierung richtungsweisenden Templeton-Stiftung finanziert und in den heiligen Hallen des Vatikans durchgeführt wird, und dann die Protagonisten erklären, „das eine [Physik] habe mit dem anderen [Theologie] nichts zu tun“, so wird möglicherweise der eine oder andere einen Hauch von Zweifel in sich spüren – selbst auf die Gefahr hin, nun als Häretiker misstrauisch beäugt oder gar ausgegrenzt zu werden. Doch aller Opportunismus in geschlossenen Gesellschaften hat immer mit einem unkontrollierbaren Gegenspieler zu rechnen – der Selbstachtung des Einzelnen. Demütigender Gruppenzwang aktiviert irgendwann auch die Kräfte der Selbstbesinnung. Doch keine Sorge – von einer Lage, welche die Planck-Doktrin ernsthaft gefährden könnte, sind wir im Moment noch weit, weit entfernt. Alles unter Kontrolle.)
5. Ausblick
„Wir wollen Physik treiben, keine Mathematik.“
Mit dieser Maxime endete das 19. Jahrhundert und könnte vielleicht wieder das 21. (oder 22. oder 23. …) Jahrhundert enden. Dazwischen gilt probeweise
„Wir wollen Mathematik treiben, keine Physik.“
Der Versuch hat die grandiosen Erwartungen bisher nicht im entferntesten erfüllen können. Wie sich der fällige Wandel gestalten könnte, ist noch nicht abzusehen. Hilfreich könnten moderne Päpste im Vatikan wie in der Physik sein, die von der vollen Autonomie beider Strukturen ausgehen und auf Augenhöhe miteinander kommunizieren. Ebenfalls hilfreich wären tolerante politische Strukturen, die der Maxime des Alten Fritz folgten, jeder solle nach seiner Fasson selig werden: Wer spirituellen Trost und Erbauung sucht, gehe in die Kirche, wer Lebenssinn in rationaler Naturerkenntnis sucht, beschäftige sich mit Wissenschaften. Voraussetzung dafür wäre allerdings das Abrücken vom uralten klerikalen Selbstverständnis:
„... der heiligen Theologie der erste Platz gebührt, ... es liegt an den übrigen Wissenschaften und Künsten, ihr zur Hand zu sein und ihr gleichsam die Dienste einer Magd zu leisten.“
Solange der Physik wohl ist in der Rolle einer Magd, wird sie ihre mathematische Wohlfühlphysik fortzusetzen bemüht sein und sich weiter von Strings, Branen, Multiversen usw. faszinieren lassen. Erst ein aufkeimendes Unwohlsein, verursacht durch zunehmend unrealistische Begehrlichkeiten des Dienstherrn, könnte die Rollenverteilung infrage stellen. Nach der erfolgreichen Mathematisierung der Schöpfungsgeschichte als Urknall können wir dank Tipler erahnen, für welche Mythen die Physik künftig noch alles mathematische Erklärungen liefern soll.
Doch vielleicht haben wir die Weltformel schon längst gefunden und können sie nur nicht entschlüsseln:
Ein aufwändig gedrechselter Prunkrahmen (Mathematik) lenkt den Blick auf tiefe Zusammenhänge der Natur (Physik) in einfachster Form - der Traum von der Weltformel
Bei der Deutung vermeintlicher Weltformeln erkennt man eine Tendenz zur stetigen Aufladung mit Bedeutungsinhalten.
1. Deutung: Einfaches Palindrom, das vorwärts wie rückwärts und abwärts wie aufwärts gelesen werden kann, ohne dass sich der mitgeteilte Inhalt verändert.
2. Spielerei mit den Namen der heiligen drei Könige Ator, Sator, Peratoras
3. Lebensregel der Benediktiner:
Sat orare/ Poten(ter) et opera(re)/ R(ati)o t(u)a s(it).
(Viel beten und kräftig arbeiten - das sei deine Lebensweise)
4. Universelle Schutzformel (auf die Innenseite des linken Unterarmes geschrieben) zur Heilung, Schutz, Feuer, Tollwut, Abwehr, Schüchternheit, Depression und Angst
5. Nach Zuweisung von Wortbedeutungen lässt sich eine astronomische Aussage konstruieren: Die Erde dreht sich um die Sonne, den Mittelpunkt des Universums. (Geheimwissen in einer Zeit, da die Erde der Mittelpunkt des Universums war)
6. Mathematischer Scharfsinn extrahiert möglicherweise künftig ein allumfassendes Weltgesetz.
Aber im Ernst: Vielleicht dienen die Bemühungen zur Vergeistigung der Physik weniger der Erklärung der vorgefundenen Welt als vielmehr der Konstruktion eines Phantoms, das mit beliebigen Bedeutungsinhalten befrachtet werden kann (allein dem Dimensionsbegriff lädt man heute schon die Verantwortung für ein Multiversum auf). Doch die Wiederbelebung von Mystik kann Physik auf Dauer nicht ersetzen.